Diesmal wollten wir unseren Sommerurlaub, der wie so häufig in den Bergen stattfinden sollte, mal ganz sportlich beginnen und nahmen uns vor die Anreise mit dem Fahrrad zu tätigen. Unsere Familien schickten wir mit dem Auto voraus und wir planten eine Zweitagestour mit dem Fahrrad, sodass wir erst einen Tag später eintreffen würden.
Teilnehmer: Helmut (mein Schwager), Evi (meine Frau), Klaus (ich)
Distanz ca. 330 km – Höhenmeter ca. 1800 – Datum: August 2010
Tag 1:
Um ca. 9:00 Uhr starteten wir bei herrlichem Wetter am Fünferlsteg (Fußgängersteg über den Inn) in Passau, auf den wir dann gleich den Inn überquerten, um auf der österreichischen Seite den Inn flussaufwärts zu fahren. Vorbei am Kraftwerk Ingling ließen wir nach kurzer Zeit den Mostbauern links liegen, bei dem wir normalerweise fruchtigen Most reichlich zu uns nehmen, was heute nicht ratsam gewesen wäre. Schon bald erreichten wir Wernstein und visierten den schönen Ort Schärding an. Von dort ging es immer auf guten Schotter- oder kleinen Teerstraßen weiter Richtung Reichersberg und Obernberg. Dort machten wir kurzen Stopp und nahmen den 1. Müsliriegel zu uns. Gleich brachen wir wieder auf und wir kamen hurtig voran, da Helmut ein ordentliches Tempo vorlegte, sodass Evi und ich kaum mithalten konnten. Helmut hatte sich gut auf die Tour vorbereitet und regelmäßig vorher trainiert. Er hätte die ganze Tour am liebsten auf einen Tag gemacht, was Evi und ich aber als erfahrene Langtourer ablehnten, da es schlichtweg mit dem Tourenrad bzw. Mountainbike nicht möglich ist und auch der Spaßfaktor bei Null gewesen wäre. So bremsten wir ihn immer etwas runter und mahnten zur Gemächlichkeit und zum Genuss der schönen Natur. So nach ca. 4 Stunden und ungefähr 70 Kilometer fuhren wir in Braunau ein und Evi forderte ein längeres Päuschen um etwas zu regenerieren. Im Spaß meinte sie, eigentlich würde es ihr schon für den heutigen Tag reichen, worauf Helmut heftig protestierte. Am Stadtplatz war geschäftiges Treiben (anstehende Veranstaltung) und wir nahmen ein kühles Bierchen zu uns und verzehrten noch unseren Proviant. Danach ging es weiter, jedoch kurz darauf passierte uns ein folgenschwerer Fehler. Statt bei der nächsten Brücke den Inn zu überqueren, blieben wir rechts des Inns und sahen diesen bald darauf abschwenken und uns entlang der Salzach fahrend. Etwas Tourenkunde hätte doch nicht geschadet und wir schoben es auf Helmuts Geschwindigkeitswahn, sodass für uns der Schuldige gleich feststand. Umdrehen kam nicht in Frage, zu weit (ca. 10 km) und zu demotivierend, also lieber Umweg fahren. Nach ca. 10 km musste Burghausen kommen. Das Tempo wurde auf Teerstraße nochmals erhöht und bald fuhren wir dort ein. Burghausen ist eine schöne Stadt, aber wir hatten keine Zeit, denn es galt die verlorene Zeit aufzuholen. Hier mussten wir auch noch einige Höhenmeter machen, da Burghausen in einem Kessel liegt. Wieder oben angekommen, gabs zur Belohnung ein Eis für die Psyche. Frisch gestärkt gings weiter. Altötting war das nächste Ziel nach Absprache mit einigen Einheimischen, die uns den direkten Weg mit parallel verlaufendem Radweg empfahlen. Dort angekommen trafen wir wieder auf den Inn und hatten nun auch schon ca. 110 km in den Beinen. Evi empfahl nun schon erst gemeint eine Quartiersuche, doch das kam nicht in Frage, die Hälfte war noch nicht geschafft, auch wenn der Hintern bereits deutlich spürbar war. So ging es weiter Richtung Mühldorf am Inn in ca. 12 km Entfernung. Die Landschaft war wenig abwechslungsreich, sodass die spärliche Unterhaltung noch weniger wurde und überwiegend aus Klagelauten bestand. Ab Mühldorf streift der Innradweg auch nur noch selten das Ufer des sich mäanderförmig hinschlängelnden Flusses. Doch auch wenn’s anders gewesen wäre, wir hätten keine Augen mehr dafür gehabt. Durch wenig bewohnte Gegend tätigten wir mechanisch unsere Füße und nur ein einsamer am Wegrand liegender Biergarten ließ uns innehalten. Hocherfreut traten wir ein und dachten nicht mehr aufstehen zu können. Schließlich hatten wir bereits um die 145 km und 10 Stunden Fahrt hinter uns und eine ungewisse Strecke vor uns. Doch Gerstensaft und eine deftige Brotzeit hauchte uns wieder Leben ein und wir starteten zum Finale. Kraiburg sollte unser Übernachtungsziel sein. Der Wiederaufstieg in den Sattel war schmerzvoll aber unausweichlich. Da wir schon bald in Nähe Kraiburg waren, schlug Helmut vor den Schwung zu nutzen und nach Wasserburg durchzustarten, nur ca. 20 km. Evi war zu schwach zu protestieren und schon waren wir an Kraiburg vorbei. Dies war allerdings ein Fehler. Es folgte hügeliges Gelände und der Weg führte in seitliche Schwenks in alle Richtungen nur nicht nach Wasserburg. Nach gefühlten 5 Stunden fuhren wir in den Kessel von Wasserburg und dachten nur noch an Duschen, Essen Schlafen. Doch weit gefehlt. In Wasserburg waren Musikfesttage, alle Zimmer in der Stadt waren belegt. Nach längerem Telefonieren konnten uns hilfsbereite Empfangsdamen eines Hotels Zimmer in einem gemütlichen Landgasthof etwa 5 km außerhalb der Stadt zuweisen. Letzter Einsatz war gefragt um die Strecke und ca. 100 Höhenmeter zurückzulegen. Um ca. 10:00 Uhr ereichten wir bei Dunkelheit unsere Herberge, knapp 180 km in 13 Stunden waren zurückgelegt. Nach einem guten Essen und einigen Bieren fielen wir in die Betten. Evi und ich gemeinsam in einem Einzelbett (da nur noch diese verfügbar waren), aber dennoch ohne Murren überfiel uns tiefer Schlaf.
Tag 2
Nach einem ausgedehnten Frühstück bestiegen wir die vermaledeiten Sättel und strebten auf kürzestem Weg über kleine Landstraßen Rosenheim zu. Erst zwischendrin stießen wir wieder auf den Innradweg. Wieder machten wir Tempo, denn es lagen ja ca. 140 km vor uns und heute auch noch ca. 1500 Höhenmeter. Noch genossen wir die flache Strecke. Der Hintern schmerzte uns allen und es wurde zunehmend schlechter. Immer dem Inn entlang abseits aller Ortschaften ging es bis Kufstein, wo wir den ersten längeren Verpflegungshalt auf einer schönen Terrasse machten. Weiter entlang der wenig spektakulären und zum Teil schlecht ausgeschilderten Strecke fuhren wir immer auf Hilfe von Einheimischen angewiesen den Inn entlang, obwohl dies doch ziemlich einfach hätte sein sollen. Kurz vorm Eingang ins Zillertal (Kramsach) gönnten wir uns noch einen großen Braunen und einen herrlichem Apfelstrudel und jammerten über unerträgliche Schmerzen im Gesäß. Doch die letzte Etappe musste bezwungen werden, obwohl uns die Müdigkeit vom Vortag in den Beinen hing. Die Einfahrt ins Zillertal erfolgte über Bruck am Ziller und über leicht hügelige kleine Straßen auf der Nordseite des Tals erreichten wir Fügen. Da wir erfuhren, dass unsere Tochter ebenfalls mit dem Auto auf dem Weg nach Silberleiten war, entschloss sich Evi kurzfristig bei ihr im Auto mitzufahren und sich den Anstieg zu sparen. Der gestrige Tag war doch etwas zu heftig für sie, aber auch für uns gewesen. Doch Helmut und ich wollten es zu Ende bringen. Auf eben verlaufenden Radwegen überwiegend entlang der Ziller erreichten wir nach ca. 15 km Zell am Ziller und der Gerlospass stand uns bevor. Ohne zu zögern folgten wir der gleich steil ansteigenden Straße, die wir sonst mit Leichtigkeit mit dem Auto bezwangen. Ohne auch nur einen Gedanken an Pause bezwangen wir die 7 Spitzkehren und erreichten das nur etwa 5 km von Zell entfernte Hainzenberg. Einen schönen Teil der Höhenmeter hatten wir damit schon zurückgelegt. Nun begann die Strasse flacher zu werden und wir machten wieder Kilometer, doch die Füße wurden schon bleiern. Aber das Ziel hatten wir schon vor unserem geistigen Auge und die anstehende Bewunderung durch unsere Familien. Nach ca. 12 km erreichten wir Gerlos und ein letzte Kraftakt stand uns bevor. Wieder wurde es steiler und schließlich fuhren wir auf die mit Gras bedeckte Staumauer des Speichersees Durlaßboden zu. Darauf folgten noch zwei quälende Spitzkehren, dann wurde es wieder flacher und endlich ging es sogar bergab, jedoch um gleich wieder anzusteigen. Zwischendurch hatten wir bereits unser Ziel real vor Augen, das Bergdorf Silberleiten, am Fuße der Gerlosplatte. Die nun sichtbare lange Steigung musste nicht mehr bezwungen werden, sondern wir zweigten von der Gerlosstraße rechts ab. Kurz durch einen kleinen Wald und dann die letzte Qual. Nochmals steiler Anstieg mit Spitzkehre. Helmut stand bereits unmittelbar vor dem Zusammenbruch, doch meine motivierenden Worte (Quäl dich du Sau – bekanntes Zitat) trieben ihn zum letzten. Vor unserem Quartier angekommen, gab es natürlich keinen großen Empfang der Familie. Alle waren irgendwie unterwegs oder anderweitig beschäftigt. Wir hatten extra versucht eine entspannte Miene aufzusetzen, obwohl es darunter richtig weh tat. Aber die innere Befriedigung es geschafft zu haben war groß und wir konnten später doch einige Abende von unserem großen Abenteuer berichten.