Vor einiger Zeit bin ich mit vielen Erwartungen, Neugier, Wissbegierde und Abenteuerlust in dieses für mich damals fremde Land gereist. Und nun entdecke ich immer öfter wie viele bengalische Eigenheiten ich bereits angenommen habe. Das Beeindruckendste für mich war wohl der enge Kontakt mit den Dorfbewohnern. So nah mit ihnen in Berührung zu treten, ihre Ängste und Sorgen mitzuerleben und ihre Probleme anhören zu dürfen erfüllte mich mit Dankbarkeit und Rührung. Aber auch ihre Freude und Offenherzigkeit berührten mich sehr. Ich genoss es oft in einem Dorf mit einer großen Familie vor der Hütte zu sitzen, mit ihnen zu reden, gemeinsam zu essen, zu singen und zu lachen. Die Kultur zu sehen, ja zu spüren, fühlen und zu leben – das ist wohl der bleibende Eindruck für mich von diesem Land! Viele neue Eindrücke nehme ich auch von der Religiosität der Bengalen mit. Gemeinsam mit ihnen Feste zu feiern mochte ich sehr.
Vor allem das Durga Puja Hindufest blieb mir sehr in Erinnerung. Ich genoss es gemeinsam mit den Dorfbewohnern fünf Tage lang das Fest zu zelebrieren. Aber auch der Ramadan und das grosse muslimische Eid – Fest beeindruckten mich stark.
Aber nicht nur die leuchtende Welt Bangladeschs fiel mir auf, auch vieles andere:
+ Die erschreckend niedrigen hygienischen Standards in der Nahrungsaufbewahrung,
+ Ratten in den Wohnräumen der Menschen,
+ zu beobachten, wie Kuhmist, Müll und Spülwasser in den Teich gekippt werden und
ich daraus einen Fisch serviert bekomme,
+ das ständige Fehlen von Geld für Grundbedürfnisse,
+ kleine Kinder, die dauernd an Schnupfen und Husten leiden, ständig krank sind,
schlecht sehen und in ihrer Gesamtentwicklung aufgrund Mangelernährung ver-
zögert sind,
+ das oft stupide Auswendiglernen von Zahlen und Buchstaben in der Schule, das nur
Vorgeben und Ausführen lassen,
+ die Niedrige Präsenz von Methodik und Didaktik in der Unterrichtsgestaltung,
+ die Bilder im bengalischen Fernsehen wahrend des Wahlkampfes, als tausende von
wütend schreiende Männer auf den Strassen Busse anzünden, Polizisten wahllos
mit dicken Knüppeln auf Demonstranten einprügeln und man nur noch Blut sieht,
tote Männer am Straßenrand liegend,…
+ Mitzuerleben, wie eine Mutter mit ihrem seit Tagen fiebrigen Sohn nicht zum Arzt
fahren kann, wegen überfluteter Strassen,…
+ die Unterdrückung der Frauen in der Gesellschaft und der Familie,…
All das erschreckte mich sehr und hinterließ einen prägenden Eindruck in mir.
Und nicht immer war es leicht, oft forderte es auch Kraft und Mut das „Abenteuer Bangladesch“ zu bestehen, vor allem die große Armut zu spüren und hilflos daneben zu stehen,…
Oft forderte es Überwindung, einen Schritt weiter zu gehen. Und dann, am nächsten Morgen durch die Reisfelder zu wandern, das sattgrüne Leuchten aufzusaugen oder das „goldene Bangladesch“ kurz vor der Reisernte zu bewundern, einen Bauern im friedlichen Morgennebel gemächlich durch sein Reisfeld spazieren zu sehen, die Schüler beim Singen zu hören und ihre Tänze zu bestaunen, die Kinder beim Spielen auf der Strasse zu beobachten, engagierte, enthusiastische Menschen in ihrer Entwicklungshilfearbeit mitzuerleben,…
All das und die viele neuen Freunde die ich hier gewann, zaubern ein Lächeln in mein Gesicht und das werde ich sehr vermissen!